Metinho – der Taktgeber aus Rio
Porträt
Dienstag, 09.12.2025 // 12:00
Uhr
Als Sechser ist Metinho das Hirn im Basler Mittelfeld. Einer, der den Rhythmus spürt, Räume erkennt und das Spiel ordnet. Doch sein Fussball kommt nicht nur aus dem Kopf, sondern ist auch gespickt mit Aktionen, die das Fan-Herz höherschlagen lassen. Mit Spielfreude, Kreativität und hoher technischer Qualität. Es ist ein Stil, der wie er selbst sagt, seine doppelte Identität widerspiegelt: die kongolesische Kraft und die brasilianische Leichtigkeit, die ihn seit seiner Kindheit prägen.
Metinho, mit bürgerlichem Namen Abemly Meto Silu, war kaum ein Jahr alt, als er und sein Vater vom kongolesischen Matadi nach Rio de Janeiro in eine Favela zogen. Seine Mutter, die Schwester und sein kleiner Bruder folgten ihnen einige Zeit später. «In den Favelas ist es ein bisschen gefährlich», sagt Metinho heute, «aber wenn du jung bist, willst du einfach nur mit deinen Freunden Fussball spielen. Und das hat mir immer viel Spass gemacht.» Dort, zwischen improvisierten Toren und staubigen Strassen, begann seine Geschichte.
Schon mit sechs Jahren spielte er täglich und ohne Druck. Sein Vater, der beruflich ein Barber war, beobachtete das Talent seines Sohnes aufmerksam. «Mein Vater hat unheimlich gerne Ronaldo und Ronaldinho zugeschaut. Er wollte, dass sein Sohn auch einmal Fussballer wird. Das war sein Traum.» Mit neun Jahren trat der kleine Junge dann seinem ersten Club im Stadtteil Brás de Pina bei, später folgten der Madureira EC und schliesslich Fluminense, wo er fast alle Nachwuchsstufen durchlief. Die Reise bis hoch zur ersten Mannschaft einer der bedeutendsten Fussballclubs des Landes war nicht einfach. Die Familie lebte bescheiden, Geld war knapp. Langsam begann Metinho zu verstehen, dass Fussball mehr sein konnte als ein Spiel. Nämlich ein Weg, seiner Familie Sicherheit zu geben: «In meiner Kindheit hatten wir nicht viel. Ich wollte helfen, eine bessere Zukunft für uns alle zu schaffen.»
Der mutige Schritt nach Europa
Das Talent des brasilianisch-kongolesischen Doppelbürgers wurde früh international erkannt. Die City Football Group, welche ein globales Netzwerk von 13 Fussballclubs auf verschiedenen Kontinenten ganz oder anteilsmässig besitzt, liess sich seine Dienste im Sommer 2021 kolportierte fünf Millionen Euro Ablöse kosten. Der Wechsel zu dieser Organisation und zum dazugehörigen französischen Verein ES Troyes AC mit gerade einmal 18 Jahren, war sein Sprung nach Europa. Der Start war aber hart. «Du kommst aus Brasilien in ein Land, wo du die Sprache nicht sprichst, wo es kalt ist. Es ist eine andere Kultur. Das war schwierig.» Als wäre der Kulturschock nicht genug, verletzte Metinho sich gleich im ersten Jahr schwer. Eine Schulterverletzung zwang ihn zu mehreren Monaten Pause.
Nach Stationen in Brasilien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden zog es Metinho im Januar 2025 leihweise in die Schweiz, wo er beim FCB in diesem Sommer einen Vertrag über fünf Jahre unterzeichnet hat.
Doch er biss sich durch, lernte Französisch, spielte später auf Leihbasis in Belgien bei Lommel SK und in den Niederlanden bei Sparta Rotterdam. «Belgien war für mich jetzt nicht der beste Ort zum Leben», sagt der 22-Jährige lachend, «aber für meine Entwicklung war es wichtig. Ich habe dort viel gespielt.»
Sein Ankommen in der neuen Heimat Basel
Im Januar 2025 folgte dann der leihweise Wechsel zum FCB. Die Schweiz war erneut ein neues Land, ein neuer Anfang. «Zu Beginn ist es immer schwer, du weisst nicht, wie es wird. Aber der Staff, die Spieler und alle rundherum haben sich um mich gekümmert.» Auch hier musste er sich seinen Platz erst erkämpfen. Anfangs spielte er wenig, doch als die Chance kam, nutzte er sie. Von da an stieg seine Bedeutung für die Mannschaft rasant. Rotblau setzte ab März zu einer Serie an und gewann Spiel um Spiel – meist mit ihm im Zentrum des Geschehens.
Auch wenn Metinho auf dem Platz eher bestimmt wirkt, ist er ein warmherziger, offener und fröhlicher Mensch.
Diese Siegesserie führte auch zu Metinhos ersten Titeln im Profifussball. Der Gewinn des Doubles wurde zu einem prägenden Moment, auch für ihn: «Es war unglaublich. Mein erstes Titelgefühl überhaupt. Für den Club, die Fans, die Stadt. Es war einfach fantastisch.» Der 22-Jährige überzeugte nicht nur die Fans, sondern auch die Verantwortlichen so sehr, dass er nach nur einem halben Jahr fest verpflichtet wurde und beim FCB einen Fünfjahresvertrag erhielt. Ein Zeichen des Vertrauens, das er zu schätzen weiss: «Es war sehr wichtig für mich zu bleiben. Ich spiele fast jedes Spiel. Ich bin jung, ich brauche Minuten. Basel hilft mir, mich weiterzuentwickeln und ich fühle mich sehr wohl hier.»
Zwischen zwei Welten und grossen Träumen
Metinho trägt zwei Identitäten in sich: die kongolesische Herkunft seiner Eltern und die brasilianische Welt, in der er aufwuchs. «Mein Blut ist kongolesisch», sagt er, «aber ich bin in Brasilien gross geworden.» Diese doppelte Prägung zeigt sich auch auf dem Platz. Kraftvoll und robust in den Zweikämpfen, gleichzeitig technisch sauber, verspielt und rhythmisch in der Ballbehandlung. Ein Profil, das ebenso auffällt wie sein offenes Wesen abseits des Rasens. Metinho ist herzlich, lacht oft und ist für jedes Gespräch zu haben. Er mag die Stadt Basel, verbringt seine Zeit aber lieber zuhause mit Freunden. Besonders mit Philip Otele und Ibrahim Salah trifft er sich auch gerne abseits des Fussballs.
Trotz seiner Leichtigkeit verspürt er ein starkes Verantwortungsgefühl. Seine Wurzeln erinnern ihn daran, dass er auch arbeitet, um seiner Familie etwas zurückzugeben. «Fussball ist meine Leidenschaft», sagt er, «aber auch ein Weg, meine Familie zu unterstützen.» Zwar träumt er von der spanischen La Liga, doch sein Fokus liegt im Jetzt in Basel und seiner Entwicklung. Und so spannt sich sein Weg weiter: von den Favelas in Rio zum Schweizer Doublesieg und vielleicht auf noch grössere Bühnen. Metinho ist erst am Anfang seines Weges, getragen von zwei Kulturen und einer Entschlossenheit, die ihn weiter vorantreiben wird.
Seit fast einem Jahr läuft Metinho in rotblau auf und hat seither 38 Pflichtspiele für den FCB bestritten.