Kurt Stettler – sprungkräftig und sicher im Stellungsspiel

Kurt Stettler
Freitag, 09.10.2020 // 17:08 Uhr

Der 88-jährige Kurt Stettler wirkte rund acht Jahre lang als zuverlässiger Stammgoalie beim FC Basel 1893. In diese Zeit fallen Auftritte auf europäischer Ebene mit dem FCB in den Jahren 1961 und 1962 sowie der Cupsieg 1963. Stettler gehörte damals zu den Basler Cuphelden. Auch bei der WM 1962 in Chile stand er im Aufgebot.

Kurt Stettler erblickte anfangs der dreissiger Jahre in seinem Namensvetterdorf Stettlen im Worbental bei Bern das Licht der Welt. Seine ersten fussballerischen Gehversuche unternahm er bei den Schülermannschaften der Young Boys. Während seiner Lehrzeit als Bäcker-Konditor wirkte er bei den Junioren von Ostermundigen. Später ging er ins Tessin, wo er beim FC Lugano als Reservehüter im Schatten des berühmten Eugenio Corrodi agierte. Es folgte ein Wechsel zum FC Bern. Dort wurde er neben Pelozzi oft im Fanionteam eingesetzt. Nach dem Abstieg der Berner ging Stettler zum FC Luzern, wo er sich bessere Perspektiven versprach. Trotz nochmaligem Abstieg blieb er den Leuchtenstädtern treu.

 

In dieser Luzerner Zeit lernte Kurt Stettler seine zukünftige Frau Margrit kennen. Ihre erste Begegnung war an einem Abend, der vom FC Luzern-Präsidenten organisiert worden war. Es spielte das Orchester von Hazy Osterwald. Margrit war an diesem Abend im Service tätig und kam so mit den Spielern ins Gespräch, auch mit Kurt Stettler. In den Pausen kam Bandleader Hazy Osterwald zu ihnen. Er sagte zu Margrit: „Dä Stettler, dä muesch im Aug bhalte, dä wurd guet zu Dir basse“. Der Interpret des legendären „Kriminal-Tango“ lag mit dieser Feststellung goldrichtig. Heute sind Kurt Stettler und Margrit Stettler seit 65 Jahren verheiratet. Sie haben zwei erwachsene Kinder – Tochter Ursula mit Sohn Joël und Sohn Bruno mit den Söhnen Florian und Valentin.

 

Ein Goalie mit grosser Ausstrahlung

 

Kurt Stettler war während seiner ganzen Karriere stets ein blütenreiner Amateur. Er diente sich hoch, vom Verkäufer bis zum verantwortungsvollen Posten als Leiter eines grossen Einkaufszentrums im Bläsi. Durch seinen Wechsel in die Sport-Toto-Gesellschaft konnte er dann später Beruf und Hobby besser miteinander verbinden. Seine Tätigkeit bei diesem sich laufend vorwärts entwickelnden Unternehmen übte er bis 1997 aus – der Umsatz lag am Schluss bei über 200 Millionen Franken pro Jahr.

 

Stettlers Markenzeichen als Goalkeeper waren seine gute Sprungkraft, sein sicheres Stellungsspiel und das beherzte Herauslaufen. Bei einem ganz denkwürdigen Match war Stettler ebenfalls dabei – aber der Match konnte nicht fertiggespielt werden. Man schrieb den 9. September 1962, als der FC Basel wieder einmal auf den FC Luzern traf. In diesem Spiel vor 6‘000 Zuschauern kam beim FCB ein junger Akteur namens Abraham Levy zum Einsatz. Luzern ging durch einen umstrittenen Treffer 1:0 in Führung. Doch dann gelang Karli Odermatt in der 66. Minute der Ausgleich. Besagter Levy rannte dann kurz nach dem Ausgleichstreffer aufs gegnerische Tor zu und landete im Tornetz. Im Fallen muss er sich offenbar am Hanf gehalten haben, denn plötzlich brach die Querlatte des Goals entzwei. Eine Ersatzlatte, die man innert nützlicher Frist hätte montieren können, war leider nicht vorhanden. So musste Schiedsrichter Othmar Huber diesen Match nach längeren Diskussionen leider abbrechen. Das Wiederholungsspiel ging dann 0:2 verloren. Für Stettler war diese Partie eine weitere Erinnerung in einer an Reminiszenzen reichen Karriere.

 

Anfangs der sechziger Jahre hatte der ebenso ehrgeizige wie fangsichere Torhüter noch keinen nationalen Titel gewonnen, doch immerhin reichte es ihm mit dem FC Basel zu einigen Partien im Internationalen Fussballcup. Gegen Elfsborg Boras und Tasmania Berlin konnte er für die rotblauen Farben den einen oder anderen Punkt sichern. Auf Seiten der Rotblauen kämpften damals neben Stettler Akteure wie Bruno Michaud, Carlo Porlezza, Silvan Thüler, Hans-Ulrich Oberer, Rudolf Rickenbacher, Fernando von Kranichfeldt, Hanspeter Stocker, Seppe Hügi, Wolfgang Walther und Paul Speidel. Letzterer war im Sommer als Fussballer für den FCB, im Winter als Hockeyaner für den EHC unterwegs.

 

In besonderer Erinnerung bleibt Kurt Stettler der Sieg im Rahmen des Internationalen Fussballcups (Rappan-Cup) auf dem Landhof gegen das holländische Spitzenteam des PSV Eindhoven anno 1962. Man gewann diesen Match vor 1‘600 Fussballfreunden mit 4:3, nachdem man zur Pause noch 1:3 im Rückstand gelegen hatte. Sportjournalist Max Alt lobte in der „National-Zeitung“ die reflexschnellen, grossartigen Abwehrparaden und die untadelige Manier, mit der Stettler den wie an einem Faden hängenden Sieg seiner Mannschaft über die Zeit rettete. Die Aufstellung des FCB damals lautete wie folgt: Stettler; Füri, Michaud, Stocker; Weber, Porlezza; Ludwig, Odermatt, Pfirter, Burri, Fritz. Mit solchen hart erkämpften Siegen konnten die Rotblauen einen Grundstein legen für all das, was in den späteren Jahren folgen sollte.

 

Aufgrund seiner konstant guten Leistungen wurde Kurt Stettler schliesslich für die Weltmeisterschaft in Chile nominiert, zusammen mit Charly Elsener und Antonio Permunian. Das war 1962 – Kurt Stettler war bereits 30 Jahre alt. Doch die WM war für ihn nicht der wichtigste Moment in seiner Karriere. Der Höhepunkt war der Cupfinal mit dem FCB.

 

Stettler brachte dem FCB das gewisse Etwas

 

In der Basler Zeit wohnte Familie Stettler im Kleinbasel, an der Wettsteinallee. In der Nähe von ihnen logierten auch noch andere FCB-Fussballer, so zum Beispiel Hans Hügi, Männi Sutter, Werni Bopp und Silvan Thüler. Und natürlich das „Goldfiessli“ Seppe Hügi. Die Gegend rund um den Landhof avancierte damit zu einer richtigen Fussballzone. Der FCB galt damals in der Schweiz als aufstrebender NLA-Club. Die Bebbi verfügten zwar seit jeher über einen begeisterungsfähigen Anhang. Aber mit Ausnahme des Meistertitels anno 1952/53 hatte ihnen trotz Topskorer Seppe Hügi immer ein kleines Quentchen Glück zu einem grossen Titel gefehlt. Man spürte, es brauchte nur wenig, dann würde dieser Mannschaft rund um Hans Weber und den jungen Karli Odermatt der ganz grosse Coup gelingen. Im Frühling 1963 war es dann endlich soweit. Nach einem packenden Halbfinal gegen Lausanne-Sports vor 18’000 Zuschauern in Basel qualifizierte sich Rotblau wieder einmal für einen Cupfinal. Kurt Stettler hatte in diesem wichtigen Match seinen grossen Tag. Er hechtete nach links und rechts – mehrmals rettete er in höchster Not vor anstürmenden Lausannois. Nach dem Schlusspfiff dieses hin- und herwogenden Spiels wurden die FCBler von ihren Anhängern mächtig gefeiert. Es gab eine friedliche Spielfeldinvasion. Stettler, Füri, Michaud, Blumer und wie sie alle hiessen konnten sich der Gratulationen kaum erwehren, doch alle Rotblauen wussten: „Im Final wartet ein ganz grosser Brocken auf uns“.

 

Hoch konzentriert, mit grösster Seriosität und dem viel beschworenen Basler Gemeinschaftsgefühl bereiteten sie sich unter der Ägide von Trainer Georges Sobotka und Coach Kurt Walter („Channe-Walter“) auf den wichtigen Match vor. Wobei die Legende besagt, dass der kürzlich verstorbene Channe-Walter vor dem Match dem Trainer Sobotka die Basler Spielerliste für den Cupfinal vorgeschlagen hatte.

 

Cupsieg – 2:0 Triumph im Final gegen Favorit GC

 

Die Grasshoppers waren es, die an diesem Ostermontag 1963 dem FCB gegenüberstanden. Der Erzrivale also, gegen den man in der Vergangenheit schon wichtige Spiele gewonnen hatte, aber auch schon wichtige Spiele verloren hatte. Die Gronau, Wüthrich, Menet, Duret, Ghilardi und Elsener gaben sich vor dem Spiel siegesgewiss. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Denn diesmal hatte der FCB die Nase vorn. In einer an sich ausgeglichenen Partie, welche lange auf des Messers Schneide stand, kamen die von unglaublich vielen Bebbi-Schlachtenbummlern unterstützten Basler durch Heinz Blumer zum 1:0. Es war eine Flanke aus dem Halbfeld, welche vom baumlangen Basler Stürmer gekonnt eingenickt wurde. Stargoalie Elsener hatte das Nachsehen. Die Entscheidung folgte für die Basler auf dem Fuss. Hans Weber hatte einen knallharten Freistoss getreten. Elsener musste den Ball abprallen lassen, der kleine Otto Ludwig war da und erbte in meisterhafter Manier: 2:0 für Basel. Der Jubel war grenzenlos, das anschliessende Fest in Basel ging bis in die frühen Morgenstunden. Noch heute erinnern sich Zeitzeugen mit Staunen an diesen Final, der auch andersherum hätte ausgehen können. Aber eben, wer seine Chancen nutzt, wer die Tore schiesst, kann an einem Tag – wenn alles zusammenpasst – auch als Aussenseiter einen kapitalen Match gewinnen.

 

Nach seiner Zeit in Basel verlegte Kurt Stettler mit seiner Familie den Wohnsitz nach Zürich. Bei den Young Fellows liess er seine Karriere gemütlich ausklingen und spielte noch bis ins hohe Fussballeralter. Seinen allerletzten Ernstkampf bestritt er im Alter von 45 Jahren für die Young Fellows in der Nationalliga B.

 

Pensioniert und nach wie vor fussballinteressiert

 

Nach rund 35 Jahren bei der Sport-Toto-Gesellschaft ist Kurt Stettler heute pensioniert. Er wohnt in Au im Zürichbiet, ist seit 65 Jahren mit Margrit verheiratet und freut sich an seinen Kindern und Grosskindern – auch wenn es ihm in der jüngsten Vergangenheit gesundheitlich nicht mehr so gut ging. „Meine Zeit beim FCB, das waren die schönsten Fussballjahre für mich. Der Cupsieg, der Aufstieg von Karli Odermatt, die Kameradschaft – all das bleibt unvergesslich für mich. Zuhause schaue ich mir ab und zu den Cupfinal 1963 auf Video an. Als FCB-Goalie kam ich auch international zum Einsatz, etwa im Messestädtecup gegen Barcelona mit allen Stars wie Sandor Kocsis, Zoltan Csibor und Laszlo Kubala“. Stettler stand auch beim Städtespiel gegen den HSV im Einsatz. Besonders Freude hatte er an der Basler Fasnacht. In den Schnitzelbängg haben sie ihn des öfteren witzig auf die Rolle geschoben. „Ich habe viele Räppli gefressen damals“, schmunzelt er. Den modernen Fussball verfolgt Altmeister Stettler heute gerne am Fernsehen. „Es kribbelt immer noch, wenn ich den heutigen Goalies bei der Arbeit zuschaue“, betont er.

 

 

Steckbrief:

 

Name: Stettler

Vorname: Kurt

Geburtsdatum: 21. August 1932

Position: Torhüter

Beruf: Gelernter Bäcker-Konditor, Verkäufer, später Centerleiter im Bläsi, Inspektor Sport-Toto-Gesellschaft

 

Vereine:

Junioren YB C2/C1 bis 1940.

FC Lugano 1950 bis 1951

FC Locarno 1951 bis 1952

FC Bern, 1954 bis1957

FC Luzern, 1957 bis 1964

FC Basel 1893 1964 bis 1970

Young Fellows Zürich 1964 bis 1979 (Den letzten Match in der NLB mit Young Fellows bestritt er im Alter von 45 Jahren, als der damalige Standardgoalie verletzt ausfiel.)

 

Erfolge: Cupsieger 1962/63 mit dem FC Basel. Internationale Partien mit dem FC Basel - im Messestädtecup gegen Barcelona (zweimal) und andere Teams. Internationaler Fussballcup gegen Elfsborg Boras, Tasmania Berlin und PSV Eindhoven. Einsätze mit der Schweizer Nationalmannschaft, Teilnahme WM in Chile 1962.

 

Bisher porträtierte Spieler: Pascal Zuberbühler (28. August 2014), Roland Paolucci (3. Oktober 2014), Christian Giménez (29. Dezember 2014), Martin Andermatt (12. Februar 2015), Nestor Subiat (18. März 2015), Erni Maissen (6. Mai 2015), Eigil Nielsen (16. Juli 2015), Maximilian Heidenreich (4. September 2015), André Sitek (13. November 2015), Papa Malick Ba (13. Januar 2016), Bruno Sutter (26. April 2016), Argemiro Veiga (24. Juni 2016), Carlo Porlezza (6. September 2016), Markus Tanner (10. November 2016) und Martin Jeitziner (14. Februar 2017), Attila Sahin (17.April 2017), Hervé Tum (21. Juni 2017), Arthur von Wartburg (7. September 2017), Scott Chipperfield (15. November 2017) und Reto Baumgartner (11. Februar 2018), Walter Mundschin ( 29. März 2018), Thomas Hauser (3. Juni 2018), Stefan Huber (8. August 2018), Adrian Knup (13. Oktober 2018), Alex Nyarko (28. Dezember 2018), Helmut Hauser (28. März 2019), Peter Bernauer (9. Juni 2019),  Marco Zwyssig (21. August 2019) Lars Olsen (15. Oktober 2019), Ottmar Hitzfeld (16. November 2019)z, Thimotée Atouba (30. Januar 2020), Franco Costanzo (22. April 2020) und Jörg Stohler (16. Juli 2020).

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