Eren Derdiyok startete seine Profikarriere vor knapp 20 Jahren beim FC Basel 1893 und kehrte im vergangenen Sommer als Assistenztrainer der U17 zu Rotblau zurück. Im Interview spricht er unter anderem über seine Karriere, seine Motivation als Trainer tätig zu sein und seine Ziele.
Eren Derdiyok: «Ich empfinde es als eine Win-Win-Situation»
Eren Derdiyok, du hast vor knapp zwei Jahren deine Karriere beim FC Schaffhausen beendet und im letzten Sommer als Trainer im FCB-Nachwuchs angefangen. Wie hast du die Zeit dazwischen genutzt?
Eren Derdiyok: Der FC Schaffhausen gab mir die Möglichkeit, gleich anschliessend an meine Aktivkarriere als Assistenztrainer zu arbeiten. Das hat gut gepasst, war ein schönes neues Kapitel für mich und eine tolle Erfahrung. Dann bekam ich die Möglichkeit, zusammen mit meinem Bruder ein Nachwuchsteam beim BSC Old Boys zu übernehmen und damit erste Erfahrungen als Ausbildner im Nachwuchsfussball zu sammeln. Trotz Angeboten für einen Trainerposten im Aktivfussball entschied ich mich danach, im Nachwuchsfussball zu bleiben, mit dem Ziel mich nach oben zu arbeiten.
Wie kam dann der Kontakt zum FCB zustande?
Ich kenne ja noch viele Leute auf dem Campus und einige meiner ehemaligen Mannschaftskollegen sind hier tätig – wie zum Beispiel Timm Klose. Kontakt gab es also immer. Es kam mir zudem sicher entgegen, dass Timo Jankowski die FCB-DNA wieder fördern möchte. Ich hatte einige gute Gespräche mit ihm, aber auch mit David Degen, Daniel Stucki, Kevin Ramseyer sowie Marco Walker und wir alle merkten, dass es passen könnte. Ich empfinde es als eine Win-Win-Situation, weil ich viel von meiner Erfahrung einbringen und selber vom Know-how der Leute auf dem Campus profitieren kann.
Wann reifte bei dir der Gedanke, dass du als Trainer tätig sein möchtest?
Während meiner Aktivzeit habe ich mich ehrlich gesagt erst spät damit beschäftigt. Ich hatte als Spieler sehr viele gute Trainer, aber auch ein paar weniger gute. Also sagte ich mir, dass ich den Spielern jene Dinge mitgeben will, die mir wichtig erscheinen, um sie so zu fördern. Es ist eine neue Tätigkeit für mich und es wird interessant sein zu sehen, ob ich auch in dieser erfolgreich sein kann.
Du warst ja bis im Alter von 18 Jahren beim BSC Old Boys und wechseltest erst dann in die U21 des FCB. Gab es für dich einen Moment, in dem für dich klar wurde, dass du es zum Profifussballer bringen würdest?
Es war in der Tat ein interessanter Weg. Die Hoffnung habe ich nie aufgegeben, ich war mehrmals in Probetrainings beim FCB und sah, dass ich oft knapp vor dem Schritt zum FCB stand. Das hat mich aber nie frustriert, sondern eher motiviert. Der Schlüsselpunkt war dann das Cupspiel gegen den FCB, in dem ich getroffen habe und so zur U21 wechseln konnte. Es war auch eine anstrengende Zeit, ich habe eine Lehre als Elektromonteur absolviert und daneben noch trainiert. Aber es ging dann sehr schnell und ich kam in die 1. Mannschaft. Ich denke eine solche Karriere gibt es in 100 Jahren ein bis zweimal. Weil mir der FCB die Türe zum Profifussball geöffnet hat, ist er auch ein sehr spezieller Verein für mich. Und jetzt gibt er mir die Möglichkeit als Trainer im Nachwuchsfussball zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln. Ich bin dem Club dafür sehr dankbar und möchte ihm so viel wie möglich zurückgeben.
Eren Derdiyok gewann mit dem FCB 2007 den Cup und im Jahr darauf das Double, ehe er zu Bayer 04 Leverkusen wechselte.
Wäre eine Karriere wie deine heute noch so denkbar?
Das ist schwierig zu beantworten, eben weil sich die Zeiten geändert haben. Einerseits gibt es heute viel mehr Jugendliche, die den Traum verfolgen, Profifussballer zu werden. Andererseits sind die Bedingungen hier auf dem Campus viel besser als früher – alleine was die Qualität der Plätze betrifft. Komfort kann aber auch hinderlich sein, was den Hunger nach Erfolg betrifft – diesen wollen wir unbedingt wieder mehr fördern.
Hast du denn dein ganzes Potenzial ausgeschöpft?
Ich hätte wohl noch mehr erreichen können, bin aber stolz auf das, was ich geschafft habe – mit zwölf Titeln in 18 Jahren. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Wichtig ist, dass man aus seinen Erfahrungen lernt. Diese Erkenntnis war für mich auch ein grosser Ansporn, es als Trainer zu versuchen und meine Erfahrungen weiterzugeben.
Wo hattest du denn deine beste Zeit?
Gleich zu Beginn in Leverkusen lief es – etwas zu meiner eigenen Überraschung – sehr gut. Ich bildete mit Stefan Kießling ein Top-Sturmduo in der Bundesliga. Aber auch die ersten Jahre in der Türkei waren sehr positiv. Man kann im Vorhinein nie wissen, was einen erwartet. Bei meinem Wechsel zu Hoffenheim hatte ich ein sehr gutes Gefühl und wir hatten auch ein gutes Kader, aber es passte schlussendlich einfach nicht.
War der Wechsel in die Türkei aus deiner Sicht dann ein Rückschritt?
Auch da hatte ich ein sehr gutes Bauchgefühl, aber dieses Mal täuschte es mich nicht. Es war der richtige Schritt und gleichzeitig die Möglichkeit, mich für Galatasaray zu empfehlen. Bei Gala hatte ich wieder einen sehr guten Start und ich konnte Titel gewinnen, aber es folgten wieder Höhen und Tiefen.
Als abenteuerlich kann man sicherlich deinen Wechsel nach Usbekistan bezeichnen. Wie kam es dazu?
Der Kontakt kam über meinen früheren Trainer von Kasimpasa zustande, der mich unbedingt wollte. Ich habe dort schöne eineinhalb Jahre verbracht. Das Niveau der Liga ist natürlich nicht so hoch wie in Europa. Aber wir hatten ein gutes Team, wurden Meister und spielten in der asiatischen Champions League.
Was kannst du über das Land erzählen?
Wir wussten nicht was uns erwartet. Aber ich kann fast nur Positives berichten, meine Familie und ich wurden sehr gut aufgenommen. Kulturell ist Usbekistan nahe an der Türkei – auch die Sprachen ähneln sich. Aber es gibt auch noch einige russische Einflüsse aus der Zeit, als das Land in der Sowjetunion war.
Über Deutschland, die Türkei und Usbekistan fand Eren Derdiyok den Weg zurück in seine Balser Heimat.
Danach gingst du aber nochmals zurück in die Türkei?
Ja, das Angebot von Ankaragücü war sehr interessant, weil der Club unbedingt in die höchste Liga aufsteigen wollte. Das schafften wir gleich in der ersten Saison. Auch Ankara als Stadt hat mir sehr gut gefallen. Ich merkte aber bald, dass ich wieder eine Veränderung brauchte. Da kam das Angebot des FC Schaffhausen gerade richtig. Einerseits, weil ich so nicht gleich von hundert auf null zurückschrauben musste, mir der Ausstieg vom Profisport so leichter fiel und andererseits, weil ich dort dann anschliessend gleich meine ersten Erfahrungen als Trainer sammeln konnte.
Gab es auch einmal konkrete Pläne für eine Rückkehr als Spieler zum FCB?
Konkret waren diese Pläne nie, auch wenn der Wunsch bestand. Es ergab sich einfach nie aus der Konstellation, dass es gerade für beide Seiten gepasst hätte. Aber ich bin ja jetzt als Trainer im Nachwuchsbereich wieder da und vielleicht ja auch in Zukunft wieder einmal im Staff der ersten Mannschaft.
Du hast viele Trainer erlebt. Wer war besonders prägend für dich?
Jupp Heinckes war ein phänomenaler Trainer. Er war technisch, taktisch und im Umgang mit Menschen top. Von ihm konnte ich unheimlich viel mitnehmen. Ich will aber nie jemanden kopieren, sondern von diesen Fachmenschen lernen, das Beste von ihnen mitnehmen und das in meinen eigenen Stil einbauen. Man sollte die eigene Persönlichkeit nie verstellen, sondern Dinge einfliessen lassen, die einen bei anderen überzeugt haben.
Eren Derdiyok ist seit dem vergangenen Sommer Assistenztrainer der U17 und Stürmertrainer beim FCB-Nachwuchs.
Was gefällt dir besonders als Trainer im Nachwuchsbereich?
Ich habe noch eine zusätzliche Funktion als Offensivtrainer, da kann ich meine Erfahrung wirklich sehr gut weitergeben. Aber auch hier ist der Nutzen beidseitig, denn es ist auch für mich interessant zu sehen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten ich auf diesem Niveau schon erkennen kann.
Wie weit bist du bei den Trainerdiplomen?
Ich habe vor kurzem mein A-Youth-Diplom abgeschlossen. Mit diesem kann ich Cheftrainer bis zur Stufe U21 oder 1. Liga sein und Assistenztrainer in der Super League. Es ist das zweithöchste Diplom.
Was sind deine Ziele für die kommenden Jahre beim FCB?
Mein Ziel ist es hierzubleiben und mich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. Jetzt bin ich Assistenz- und Stürmertrainer, der nächste Schritt wäre dann Cheftrainer bei einem Nachwuchsteam hier zu werden. Das wäre eine Bestätigung für mich und wenn ich dann erfolgreich wäre, könnte ich mir auch vorstellen einmal Assistenztrainer in der 1. Mannschaft zu werden. Das ist auch eine Voraussetzung, um die UEFA Pro Lizenz zu machen. Als FCB-Junge will ich hier meine Erfahrungen sammeln und versuchen erfolgreich zu sein, wenn ich schon die Chance dazu bekomme. Das grosse Fernziel ist Cheftrainer im Aktivfussball zu werden, das wäre ein Traum.