Jörg Stohler – der Penaltyschütze und Libero vom Dienst

Portrait
Donnerstag, 16.07.2020 // 16:00 Uhr

Nur Massimo Ceccaroni und Otto Demarmels haben mehr Spiele absolviert für den FC Basel 1893 als Jörg Stohler. Der in Pratteln grossgewordene Spieler stand zwischen 1970 und 1984 insgesamt 425 Mal für die Rotblauen im Einsatz – in der Schweizer Meisterschaft, im Schweizer Cup, aber auch im Europacup und anderen internationalen Wettbewerben.

Gut Ding will Weile haben: Während heutzutage junge Spieler mit 17 Jahren oder 18 Jahren bereits ihre Feuertaufe vor grossem Publikum absolvieren dürfen oder müssen, lief bei Jörg Stohler zu Beginn seiner Karriere alles schön gemütlich. Derweil das FCB-Fanionteam unter Helmut Benthaus von Erfolg zu Erfolg eilte und Titel abräumte wie kein anderer Schweizer Club zuvor, kam Jörg Stohler zunächst bei den FCB-Reserven zum Zug. Diese Partien der Reserve-Meisterschaft wurden damals immer im Vorfeld der NLA-Heimspiele ausgetragen.

 

In dieser Mannschaft, welche in dieser Epoche notabene über die Stärke eines mittleren NLA-Teams verfügte, setzte Stohler als junger Springinsfeld im Offensivbereich markante Akzente. Er war schon damals stark am Ball und hatte stets den Blick für den besser postierten Mitspieler. Kiebitze, die mit den Rotblauen vertraut waren, erkannten es sofort: Da ist einer dabei, der es besonders wissen will.

 

Der Held von Varese

 

Einer seiner ersten Einsätze mit der 1. Mannschaft war eine Auswärtspartie im Rahmen des Alpencups vom 15. Juni 1971. Der FC Basel traf in diesem internationalen Wettbewerb auf Varese – einen Serie-A-Club unweit der Schweizer Grenze in der Nähe von Lugano, Mendrisio und Chiasso. Der FCB gewann diesen Match dank eines Treffers von Jörg Stohler im Anschluss an einen Corner in der 75. Minute mit 1:0 und hatte damit nach Bologna und Fiorentina ein weiteres starkes Team aus dem Belpaese in die Knie gezwungen.

 

Interessantes Detail am Rande, die Norditaliener traten an diesem Tag mit einem gewissen Giovanni Trapattoni im Mittelfeld an – mit demselben Trapattoni, der sich später als Bayern-Trainer mit seiner berühmten „Flasche leer – was erlaube Strunz – ich habe fertig“-Rede unsterblich machen sollte. Und der als Spieler wie auch als Trainer unzählige Titel sammelte.

 

Erster Einsatz in der NLA

 

Eins ist klar: Mit dem eingangs geschilderten Tor in Varese hatte sich Jörg Stohler, der 1.83 Meter grosse Spieler mit den wallenden blonden Haaren, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gespielt. Er brannte darauf, sein Können unter Beweis zu stellen. 1972 war es dann endlich soweit. Im Heimspiel gegen den FC Zürich durfte er seinen ersten Meisterschaftsmatch über die volle Distanz von 90 Minuten bestreiten.

 

Beim Auswärtsspiel vorher gegen die Young Boys hatten die Bebbi eine krachende Niederlage bezogen. Benthaus sah sich zum Umstellen veranlasst. Stohler erfuhr relativ kurzfristig von seiner Nomination. „Das war auch gut so“, bekennt er, „denn hätte ich es schon früher gewusst, wäre ich wahrscheinlich richtig nervös geworden.“ Verständlicherweise, ging es in diesem Match doch um nichts mehr und nichts weniger als um den Meistertitel. Zürich war der Gegner, und da die Zürcher im Vorfeld dieser Begegnung den Cupfinal gegen Basel gewonnen hatten, präsentierte sich die Ausgangslage um so brisanter. Teamkapitän Karli Odermatt rief seine Leute vor diesem Fight zusammen – für ihn gab es nur eins: „Mr mien gwinne“, forderte er in seiner unnachahmlichen Art. Dass der Sieg im alten St. Jakob-Stadion am Ende mit 4:0 extrem deutlich ausfiel, war natürlich grossartig für die Rotblauen und für die ganze Stadt Basel. 56'000 Zuschauer durften diesen Fight mitverfolgen. Jörg Stohler erinnert sich in diesem Zusammenhang gerne an die Szenen nach Spielschluss, als die FCZ-Spieler den Baslern Spalier standen und ihnen zu ihrer fantastischen Leistung spontan applaudierten.

 

Aufstieg zur spielbestimmenden Figur

 

In diesen ersten Jahren seiner Karriere wurde der junge Baselbieter wie bereits angedeutet auf den verschiedensten Positionen aufgestellt. Mit Spielmacher Karli Odermatt verstand er sich prächtig. Karli hatte ihm auch einen persönlichen Schuh-Vertrag bei der Firma Puma besorgt, Schuhverträge für ganze Teams gab es in dieser Epoche noch nicht.

 

Doch kehren wir zurück zum damals aktuellen Tagesgeschäft. Beim FCB kam es zu Beginn der siebziger Jahre aufgrund von Verletzungen und Abgängen im Defensivbereich zu gewissen Vakanzen. Der gewiefte Erfolgstrainer Benthaus erkannte, dass er hinten zusätzliche Qualität benötigt. Stohler wurde deshalb von ihm zum Libero umfunktioniert, als Schaltstation und Anchor Man hinter den drei Verteidigern aus der vorderen Abwehrlinie.

 

Im Prinzip spielte der FCB zu dieser Zeit ähnlich wie später das erfolgreiche Nationalteam von Griechenland unter Otto Rehagel. Wie die Griechen zog auch der FCB einen undurchdringlichen Abwehrriegel auf, an dem sich manche Gegner die Zähne ausbeissen sollten. Jörg Stohler kam somit auf dem Libero-Posten je länger, je mehr aus der Tiefe des Raums. In seiner unaufgeregten Art à la Franz Beckenbauer verteilte er die Bälle. Geschickt führte er Regie und lancierte seine Vorderleute mit wohltemperierten Pässen.

 

Das sah bei ihm perfekt aus. Wenn gegen Ende eines Matchs einmal offensiv Ebbe herrschte und die Rotblauen ein Tor brauchten, rückte er ganz nach vorne und tauchte im richtigen Moment auch im gegnerischen Strafraum auf. Stohler war beidfüssig („mit meinem rechten Fuss war ich etwas stärker als mit meinem linken Fuss“) und bei seinen Abschlussversuchen hatte er zünftig Schub drauf.

 

Stohler und die Penalties

 

Besonders sicher wirkte Jörg Stohler als Elfmeterschütze. Seine Schüsse vom Penaltypunkt aus landeten mit einer beneidenswert hohen Erfolgsquote im Netz. Auf die Frage, wie er dies geschafft hatte, antwortete er: „Ich habe meistens voll draufgehauen. Ganz zu Beginn versuchte ich noch platziert zu schiessen, aber ich sah dann, dass mir die Volldrauf-Methode besser liegt. Den gegnerischen Torhüter habe ich eigentlich gar nie angeschaut.“ Seinen wichtigsten Penalty versenkte Stohler am 1. Oktober 1980 beim Europacup-Heimspiel gegen den traditionsreichen, mit Tenören wie Jan Ceulemans und Walter Meeuws angetretenen FC Brügge. An diesem denkwürdigen Abend zimmerte Stohler den Ball zum zwischenzeitlichen 2:1 ins gegnerische Gehäuse, das Endresultat lautete dann 4:1. Die Rotblauen kamen mit dem Gesamtskore von 5:1 weiter.

 

Ebenfalls von Bedeutung war sein Penalty im Alpencupfinal 1981 gegen den FC Sochaux. Dieser Match wurde nämlich im Elfmeter-Schiessen entschieden. Jörg Stohler übernahm die Verantwortung und eröffnete den Reigen. Der Vollständigkeit halber seien hier nochmals die Namen der damaligen Schützen der Reihe nach aufgelistet: Stohler 1:0, Bezaz 1:1; Sutter 2:1, Bonnevay Pfosten; Von Wartburg 3:1, Stopyra 3:2;  Gaisser 4:2, Zimako 4:3; Nickel 5:3.

 

Erinnerungen an grandiose Zeiten

 

Bei sämtlichen bisherigen Europacup-Quervergleichen des FC Basel gegen den belgischen Meister Brügge war Jörg Stohler aktiv mit dabei – fantastische Dinge hat er dabei erlebt. Beim ersten Aufeinandertreffen dieser beiden Kontrahenten hatte der FCB zuerst auswärts mit 1:2 verloren. Für die Rotblauen musste nun am 7. November 1973 im Joggeli entweder ein 1:0-Erfolg oder ein Sieg mit zwei Toren Differenz her. Es regnete wahrlich Tore an diesem Abend. In einem dramatischen Kampf vor 12’236 Zuschauern wuchs der FCB über sich heraus und gewann schliesslich mit 6:4. Kapitale Spiele im Europacup stehen bei Jörg Stohler einige im Palmares. Gerne erinnert er sich an das 3:2 gegen Celtic Glasgow vor 25'000 Zuschauern und später an das 1:0 gegen Roter Stern Belgrad vor 30'500 Zuschauern.

 

Dass es in den jeweiligen Rückspielen in Glasgow und in Belgrad knapp nicht zum Weiterkommen gereicht hat, verschweigt er nicht. Jene Szene, als er in Belgrad gemeinsam mit seinem Teamkameraden Peter Marti vor dem gegnerischen Goalie stand und das wichtige Auswärtstor nicht gelingen wollte, kommentiert er wie folgt: „Das sind Momente, welche man nie vergisst, das muss man erlebt haben. Solche Partien prägen einen, als Spieler und schweissten die Mannschaft zusammen.“

 

Bei zwei sensationellen Meistertiteln war Stohler ebenfalls an vorderster Front präsent. Zuerst in der Saison 1976/77, als es nach Punktgleichheit zwischen dem FC Basel und Servette Genf zu einem Entscheidungsspiel auf neutralem Terrain kam. Dieser Match vor 58’000 Personen – die meisten von ihnen Basler Schlachtenbummler – im alten Berner Wankdorf war etwas vom Spannendsten und Hochklassigsten, was man sich vorstellen kann. Der FCB zeigte nach anfänglichem 0:1-Rückstand eine bemerkenswerte Moral. Mundschin glich aus, Von Wartburg gelang der Siegestreffer für den FCB. Der Jubel in den rotblauen Publikumssektoren war immens.

 

Wieder gegen den FCZ

 

Wenige Jahre später, in der Saison 1979/80, folgte ein auf Biegen und Brechen geführtes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Erzrivalen Basel, GC und Servette. Beim FCB war man sich im Klaren darüber, dass im letzten Match gegen den FCZ in Zürich ein Sieg her musste. Zu Tausenden strömten die Basler Fans in die Zwingli-Stadt. Wiederum triumphierte der FCB –in einer erneut absolut spektakulären Partie auf dem alten Zürcher Letzigrund mit seiner modernistisch angehauchten, windschiefen Zuschauertribüne. 4:2 lautete das Schlussresultat am Ende eines grandiosen Fussballabends vor 24’000 Zuschauern – die Basler Torschützen hiessen Maissen, Lauscher und Marti, das vierte Tor war ein Flipperkasten-Eigentor des FCZ-Akteurs Erba.

 

Jörg Stohler sagt heute, auf diese wunderbaren Abende angesprochen, folgendes: „Ich möchte diese Zeit nicht missen. Es war wunderbar und wir hatten eine tolle Kameradschaft.“ Auch heute noch ist der in Füllinsdorf wohnende FCB-ler mit seinem Verein stark verbunden. Wenn die Basler national oder auch international brillieren, dann lacht sein Fussballerherz und er denkt an früher zurück – an die Partien gegen Brügge vor allem und an all die grossen Auftritte gegen den FC Zürich, Servette & Co. Wann immer es die Zeit und die Umstände erlauben, ist er als Matchbesucher im Joggeli live dabei.

 

 

Steckbrief:

 

Name: Stohler

Vorname: Jörg

Geburtsdatum: 27. August 1949

Erlernter Beruf: Konstruktionsschlosser

Beruf: Logistikassistent bei der Firma Hoffmann-La Roche, heute pensioniert

 

Vereine als Spieler:

 

FC Pratteln bis 1970

FC Basel 1970-1984

FC Grenchen 1984/85 und 1985/86

FC Münchenstein 1988/89

 

Vereine als Trainer:

 

FC Münchenstein

FC Laufenburg

FC Riehen Spielertrainer 1. Liga und 2. Liga

FC Basel U17 (unter anderem Trainer von Philipp Degen)

FC Basel U 16

FC Pratteln Trainer A-Junioren

 

Erfolge:

 

425 Spiele national und international für den FC Basel, 72 Tore.

 

Viermal Schweizer Meister, einmal Cupsieger, zweimal Cupfinalist sowie je einmal Ligacupsieger und Alpencupsieger mit dem FC Basel, mehrmals Uhrencupsieger mit dem FCB. Aufstieg mit dem FC Grenchen in die Nationalliga A, Uhrencupsieger mit dem FC Grenchen.

 

Europacupspiele unter anderem gegen Fram Reykjavik, FC Brügge, Celtic Glasgow, Atletico Madrid, Glentoran Belfast, Athletic Bilbao, SSW Innsbruck, VfB Stuttgart und Roter Stern Belgrad. Alpencupspiele unter anderem gegen Varese, Hellas Verona, Lyon, Strasbourg, Nîmes, Reims, Bordeaux, Nantes, Bastia, Sochaux (Alpencupfinal 1981), Auxerre und Metz. Zehn Länderspiele für die Schweizer Nationalmannschaft.

 

Als Trainer: Aufstieg mit dem FC Münchenstein in die 2. Liga.

 

Bisher porträtierte Spieler: Pascal Zuberbühler (28. August 2014), Roland Paolucci (3. Oktober 2014), Christian Giménez (29. Dezember 2014), Martin Andermatt (12. Februar 2015), Nestor Subiat (18. März 2015), Erni Maissen (6. Mai 2015), Eigil Nielsen (16. Juli 2015), Maximilian Heidenreich (4. September 2015), André Sitek (13. November 2015), Papa Malick Ba (13. Januar 2016), Bruno Sutter (26. April 2016), Argemiro Veiga (24. Juni 2016), Carlo Porlezza (6. September 2016), Markus Tanner (10. November 2016) und Martin Jeitziner (14. Februar 2017), Attila Sahin (17.April 2017), Hervé Tum (21. Juni 2017), Arthur von Wartburg (7. September 2017), Scott Chipperfield (15. November 2017) und Reto Baumgartner (11. Februar 2018), Walter Mundschin ( 29. März 2018), Thomas Hauser (3. Juni 2018), Stefan Huber (8. August 2018), Adrian Knup (13. Oktober 2018), Alex Nyarko (28. Dezember 2018), Helmut Hauser (28. März 2019), Peter Bernauer (9. Juni 2019),  Marco Zwyssig (21. August 2019) Lars Olsen (15. Oktober 2019), Ottmar Hitzfeld (16. November 2019)z, Thimotée Atouba (30. Januar 2020) und Franco Costanzo (22. April 2020).

 

(Farbfotos: Josef Zimmermann)

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